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Faust 1 & 2
von Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Jan-Christoph Gockel
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Premiere: 19. September 2024


»Oh Faust! – Theologie, Juristerei, Medizin und leider auch Philosophie studiert habendes Urbild des Bürgers, dessen Liebe Zerstörung ist und der gebrochene Seelen braucht, um seinen Kanal zu bauen!« – So Anton Kuh im prägnanten Versuch, ein Werk zusammenzufassen, über dessen Unabschließbarkeit seinerseits der Dichter befand: Der Faust II solle erst nach seinem Tode veröffentlicht werden, damit er zukünftig »Menschen fort und fort ergötze und ihnen zu schaffen mache.« Höher, schneller, weiter – in Begleitung des Teufels brettert Faust durch die kleine und große Welt.

Regisseur Jan-Christoph Gockel setzt Goethes »Monster«-Drama auf die Schienen einer Geisterbahn und nimmt besonders den zweiten Teil in den Fokus - und mit ihm das Hellsichtige, das Heutige des Stücks: Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur. »Das kann mich nicht zufriedenstellen«, klagt Faust irgendwann auf einem weiteren Gipfel des Zugewinns an Macht und Reichtum, während selbst Mephisto die Ahnung beschleicht, dass die Zeit der mittelalterlichen Teufelspakte ans Ende gelangt und dass der neue Faust vor allem eins ist: homo oeconomicus, »ein Mensch, der in der Fülle das Fehlen verspürt, im Mangel die Bedingung seines Wünschens erfährt und die Kunst des Verfehlens beherrscht: nämlich im unendlichen Streben endliche Güter zu wollen.« (Joseph Vogl)

Regie Jan-Christoph Gockel Bühne Julia Kurzweg Kostüme Janina Brinkmann Musik Matthias Grübel Video Eike Zuleeg Puppenbau Michael Pietsch Dramaturgie Claus Philipp, Katrin Spira
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Alle Zeit der Welt
Text und Regie: Wilke Weermann
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Uraufführung
Premiere: 20. September 2024, Kammerspiele


Das Rätsel der Zeit beschäftigt uns Menschen, seitdem wir nachdenken können. Ist Zeit eine Illusion? Ein Trick der Natur, der verhindert, dass alles gleichzeitig passiert? Oder einfach die Abfolge unzähliger Entscheidungen, Eindrücke und (meist profaner) Handlungen, aus denen unser Leben besteht? Unsere große Sehnsucht wäre, die Zeit gänzlich zu beherrschen. Als Zeitreisende könnten wir Fehler revidieren, Glücksmomente wiederholen und zuletzt dem Tod von der Schippe springen. Dann wären Momente keine Momente mehr, Erinnerungen wären Zukunft und Folgen Ursachen. Wären unsere Gehirne in der Lage, die daraus entstehenden Paradoxien überhaupt zu ergreifen? Wenn morgen gestern wäre, könnten wir allerdings in der Vergangenheit auch einfach mal schönen Urlaub machen. Es gibt keine Überraschungen mehr. Und das wäre vielleicht gar nicht so übel.

Wilke Weermanns Theaterarbeiten verbinden spielerisch-philosophische Fragen unserer Gegenwart mit Science-Fiction, Horror und Thriller. Sein neues Stück führt uns in eine Zukunft, in der Zeitreisen möglich sind, und zugleich einen Punkt in der jüngeren Vergangenheit, an dem viele das Ende der Zeit befürchteten: Es ist der 31.12.1999, nachts. Im Aufenthaltsraum der Pension Schwartz flackert plötzlich ein bläuliches Licht. Eine Gestalt materialisiert sich…

Regie  Wilke Weermann Bühne & Kostüme Johanna Stenzel Musik  Constantin John Dramaturgie Alexander Leiffheidt

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Szenen einer Ehe
von Ingmar Bergman
aus dem Schwedischen von Hans-Joachim Maas
Regie: Sebastian Schug
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Premiere: 22. September 2024


Im Jahr 1973 kreierte der schwedische Filmemacher Ingmar Bergman mit »Szenen einer Ehe« ein Drama um eine Frau und einen Mann, deren Ehe nach zehn Jahren zerbricht: Marianne und Johan erscheinen als ein bürgerliches Muster-Paar – beruflich erfolgreich, zwei Kinder, offen in ihre Kommunikation miteinander. Tatsächlich aber hat Johan sich in eine seiner Studentinnen verliebt und plant, Marianne zu verlassen. Diese verliert, bei dieser Ankündigung, zunächst den Boden unter den Füßen. Als Johan dann tatsächlich geht, spürt sie plötzlich eine neue Freiheit, die sie in vollen Zügen genießt. Wie kann es sein, dass die beiden, wie durch unsichtbare Bande miteinander verbunden, dennoch nicht voneinander loskommen?

Schonungslos zeichnet Bergman die psychologischen Mechanismen der Beziehung nach, mit ihren auseinanderklaffenden Bedürfnissen nach Nähe und Distanz, bis sich die unter der Oberfläche schwelenden Konflikte offenbaren. Alltägliche Situationen kippen plötzlich in Endlossprüngen der Eskalation und setzen eine Kraft und Zerstörung frei, die toxische Geschlechterrollen und Strukturen der Unterdrückung offenlegt. Regisseur Sebastian Schug inszeniert Bergmans Klassiker in einer intensiven Fassung für zwei Personen, die der Frage nach dem Verständnis von Liebe im 21. Jahrhundert nachfühlt.

Regie Sebastian Schug Bühne Jan Freese Kostüme Nicole Zielke Musik Thorsten Drücker Dramaturgie  Lukas Schmelmer
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OKT
Nach(t)gespräch
Die Dialogreihe im Kammerfoyer
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»Verweile doch! Du bist so schön!« schreibt Goethe als Steilvorlage für unser Begegnungsformat, in dem zu ausgesuchten Inszenierungen Ensemble, Publikum und Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen miteinander ins Gespräch kommen können, um die in der Inszenierung aufgeworfenen Themen diskursiv zu beleuchten. Foyer Kammerspiele
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Der große Gatsby
nach F. Scott Fitzgerald
aus dem Amerikaner von Bettina Abarbanell
für die Bühne bearbeitet von Iga Ganczarczyk
Regie: Ewelina Marciniak
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Premiere: 25. Oktober 2024


Der meisterhafte Roman über eine unmögliche Liebe dokumentiert die Zeit, in der Weg vom Tellerwäscher zum Millionär am kürzesten war – das New York der 1920er Jahre bot dafür reichlich Gelegenheit. Jay Gatsby, ein Mann undurchsichtiger Herkunft, hat sich an die Spitze der wohlhabenden Gesellschaft hochgearbeitet. Nun versucht er sich seiner verflossenen Jugendliebe Daisy Buchanan zu nähern, die mittlerweile innerhalb ihrer Klasse geheiratet hat und ein mondänes Leben führt. Während Gatsby versuchte, Daisy mit seiner märchenhaften Darstellung seines Reichtums zu beeindrucken, beobachtete sein bescheidener Nachbar Nick Carraway das frivole Treiben der Upper Class als Chronist der Ereignisse und Mitwisser mancher Geheimnisse. Die Rücksichtslosigkeit und Egozentrik der Gesellschaft fallen die Schwächsten zum Opfer, und auch die Sehnsucht nach tieferer Verbundenheit entpuppt sich als Illusion ohne reales Fundament.
Nach »Das Tove-Projekt« nimmt sich die polnische Regisseurin Ewelina Marciniak wieder eines Romans an, den sie mit ihrem Team in eine Bearbeitung auf die neue Bühne bringt. Die Inszenierung beleuchtet auch die Rückseite der glitzernden Fassade und sucht nach einer Stimme für diejenigen, die im Schatten der Dekadenz existieren.

Regie Ewelina Marciniak Bühne Grzegorz Layer, Ewelina Marciniak Kostüme  Julia Kornacka Musik  Wacław Zimpel Choreografie  Agnieszka Kryst Dramaturgie Iga Ganczarczyk, Eivind Haugland Licht  Aleksandr Prowaliński
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NOV
Zeit für Zeug:innen
Junges Schauspiel Frankfurt
in Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt
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Uraufführung
Premiere: 23. November 2024, Historisches Museum Frankfurt


Wer berichtet von früher und warum? Was wird erzählt und worüber wird geschwungen? Was gehört dazu und mit welchen Erwartungen? Zeitzeugnisse von Überlebenden des Holocaust gelten als Garanten eines lebendigen Geschichtsbewusstseins. Ausgehend von der Ausstellung »Ende der Zeitzeugenschaft?« richtet die partizipative Ausstellung »Zeitzeugenschaft. Ein Erinnerungslabor« im Historischen Museum Frankfurt den Blick auf Familiengeschichten, Diktaturerfahrungen, Bildungswege, politische Kämpfe, Migration oder den Umgang mit Krisen – und lädt das Junge Schauspiel darin zum künstlerischen Forschen ein. In einer vielstimmigen Performance zeigt ein vielfältiges Ensemble, warum die Erzählungen von Zeitzeugen für uns heute relevant sind und Lebensgeschichten weiterzählt werden sollen.

Konzept & Regie Martina Droste


Im Rahmen des Gesamtprojekts »Gallus-Geschichten«

Arbeit und Heimat stehen in der jüngeren Geschichte Deutschlands in einem engen und schwierigen Verhältnis zueinander. Im Nationalsozialismus stellt die rassistische Unterschichtung von Zwangsarbeiter:innen und die Ideologie der »deutschen Arbeit« ein oft tödliches System der Ausbeutung dar. Wie wirken Teile dieses ideologischen Musters bis heute fort?
Wie blicken Nachkommen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter:innen auf Möglichkeiten der »Beheimatung« in Deutschland, wie ehemalige »Gastarbeiter:innen«, wie ihre Kinder- und Enkelgeneration und wie Menschen auf der Suche nach Schutz und Arbeit? Wie setzen sich Ausschlüsse und Abwertungen fort?
Was kann, was muss (neu oder wieder) erzählt werden? Wie können wir fragen, wie Worte und Bilder finden, wie lebensgeschichtliche Brüche, aber auch Erfolgsgeschichten sicht- und hörbar machen? Frankfurt ist stolz auf seine »gelebte Diversität« - Wunschbild oder Wirklichkeit?

»Gallus-Geschichten« geht in drei miteinander verwobenen Projekten diesen Fragen nach – und zwar spezifisch im Frankfurter Stadtteil Gallus mit seinen Initiativen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und Zwangsarbeit, seiner Geschichte von Arbeitskämpfen, Marginalisierung und migrantischer Selbstorganisation. Wir vernetzen uns mit Zeitzeugen:innen und Institutionen vor Ort und suchen verbindendes in separaten Erzählungen von Sehnsüchten und Perspektiven in verschiedenen Generationen. Ausdrucksformen zu finden in Performances, künstlerischen Aktionen und Theaterstücken in Stadtteil-Institutionen, im Stadtraum und im Schauspiel Frankfurt, sichtbar und hörbar zu sein und darum wird es gehen.

Gesamtkonzept  Martina Droste

Das Gesamtprojekt wird im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.



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Wer hat meinen Vater umgebracht
nach Édouard Louis
aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Regie: Lisa Nielebock
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Premiere: 15. November 2024


Die autofiktionalen Romane und Erzählungen von Édouard Louis schildern mit großer Intensität, wie Armut, Enge, Ausgrenzung, Homophobie und patriarchale Geschlechterrollen in bestimmten sozialen Schichten, die zu immer neuen Spiralen der Ausweglosigkeit und Gewalt führen. Dabei gelingt es Louis das Kunststück, die Verstricktheit der Opfer und Täter und ihr Ausgeliefertsein an gesellschaftliche Machtstrukturen zu beleuchten, ohne dabei jemals in eine Unschärfe der Unterscheidung verschiedener Formen des Leidens zu geraten. Auch der Täter ist Opfer – Handelt er aus Hilflosigkeit, Wut oder gesellschaftlich produzierter Autoaggression? – nichtsdestoweniger bleibt er Täter. Und das Opfer bleibt Opfer – selbst dann, wenn es die Täter versteht, wenn es gar in erzwungener Komplizenschaft mit ihnen kooperiert.

In seinem Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht“ schildert Louis das hochgradig ambivalente Verhältnis zu seinem Vater, der den homosexuellen Sohn ablehnt, sich für ihn schämt, ihn ausliefert und misshandelt und der sein Kind dennoch liebt. Er schildert sein eigenes Erwachsenwerden als Geschichte eines Sohnes, der den Vater abstreifen muss, um leben zu können, und sich doch nichts mehr wünscht, als von ihm gesehen zu werden. Eine Geschichte der Zärtlichkeit und Gewalt, des Selbsthasses und der Anklage, die Lisa Nielebock als intensives und sensibles Kammerspiel zeigt.

Regie Lisa Nielebock  Bühne Oliver Helf Kostüme Sofia Dorazio Brockhausen Musik  Thomas Osterhoff Dramaturgie  Alexander Leiffheidt
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Ronja Räubertochter
Familienstück ab 6 Jahren
nach Astrid Lindgren
Regie: Rüdiger Pape
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Premiere: 24. November 2024


In einer schicksalhaften Gewitternacht bringt Lovis ihre Räubertochter Ronja zur Welt. Doch jene Nacht ist es auch, in der die altehrwürdige Mattisburg, die seit eh und je Unterschlupf der Räuberbande ist, von einem gewaltigen Blitzschlag entzwei gespalten wird. Der furchterregende Höllenschlund tut sich seitdem zwischen den beiden Burghälften auf. Die Jahre vergehen schnell, Mattis und seine Räuber haben es sich in einer der Burghälften gemütlich gemacht und bald zieht es Ronja hinaus aus den steinernen Hallen. Druden, Rumpelwichte und Graugnome – auf ihren Streifzügen durch den Wald müssen sie so manchen Gefahren trotzen.

Doch das eigentliche Abenteuer beginnt erst, als sie auf Birk trifft, den Sohn der feindlichen Borka-Bande. Dreist und ungefragt haben sich die Borka-Räuber in die leerstehende Burghälfte einquartiert. Ärger ist da natürlich vorprogrammiert. Doch während die Erwachsenen drohen, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, bildet sich zwischen Ronja und Birk eine unwahrscheinliche Komplizenschaft. Da beide Kinder das Räuberleben der Erwachsenen ablehnen, ziehen sie gemeinsam in den Wald, wo sie sich von nun an auf ihren eigenen Faust durchschlagen wollen.
Astrid Lindgrens Klassiker ist eine packende Abenteuergeschichte über Freundschaft, Mut und gegenseitigem Respekt. Regisseur Rüdiger Pape kehrt damit nach seiner Inszenierung von »Tintenherz« ans Schauspiel Frankfurt zurück.

Regie  Rüdiger Pape Bühne  Flavia Schwedler Kostüme  Thomas Rump Musik  Sebastian Herzfeld Dramaturgie Lukas Schmelmer
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DEZ
Projekte, Neue Dramatik, Performance
Box
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Die BOX am Schauspiel Frankfurt ist ein Ort für Experimente, ungewöhnliche Begegnungen und neue Erfahrungen. So nah wie hier kommen Sie den Spieler:innen des Ensembles sonst nie. Hier werden Regiedebüts gefeiert, neue Formate erprobt und andere Wege eingeschlagen. 
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Leaks. Von Mölln bis Hanau 
Text und Regie: Nuran David Calis
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Uraufführung
Premiere: 14. Dezember 2024

Der rassistische Terror in Deutschland seit dem tödlichen Brandanschlag in Mölln 1992 bis hin zu den Morden in Hanau 2020 enthüllt das Systemversagen einer instabilen Sicherheits-Architektur, die nicht alle Bürger:innen ihrer Gesellschaft mit gleicher Sorgfalt schützt. Durch die Collage aus Interviews, Zeugenberichten, journalistischer Recherche und Material aus Ausschüssen und Prozessen zu rassistischen Straftaten zeigt Nuran David Calis die strukturellen Ähnlichkeiten des Behördenversagens, der aktiven Verschleierung dessen und die Kollision des Verfassungsschutzes mit der rechten Szene in den letzten 30 Jahren auf. Die Stigmatisierung der Opfer rassistischer Verbrechen durch die Polizei und die Sicherheitsbehörden stellt in der Verbindung der Taten einen weiteren gemeinsamen Nenner dar.
Im Gewand einer bunten, satirischen Enthüllungsshow entblößt Calis' neue Arbeit für das Schauspiel Frankfurt Strukturen, Täter, Komplizen und Mitwisser durch Re-Enactments, investigative Attacken, Verfremdung und bitterbösen Humor – im Einsatz für solidarisches Empowerment gegen Rechts und die Ermächtigung marginalisierter Stimmen. Mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters schafft Autor und Regisseur Nuran David Calis in seinen Recherchetheaterarbeiten einen politischen Raum, in dem Mainstream-Narrative aufgebrochen und neue Perspektiven eingenommen werden.

Regie Nuran David Calis Bühne  Anne Ehrlich Kostüme Anna Sünkel Musik Vivan Bhatti Video & Recherche Karnik Gregorian Dramaturgie  Eivind Haugland
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JAN
Liedschatten
Musik aus der Kammer mit dem Ensemble
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Ensemble, Band und Special Guests setzen das erfolgreiche Musikformat mit schrägen Story- und Hooklines fort. Im »Liedschatten« mischen sich weiterhin Pop mit Chanson, Experimentelles mit Punk, Trash mit Romantischem. Kammerspiele
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Wir haben es nicht gut gemacht
nach dem Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch
Regie: Susanne Frieling
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Uraufführung
Premiere: 17. Januar 2025


Liebe und Verletzung, Nähe und sich gegenseitig auf Distanz halten, Bewunderung und Abstoßung – all dies steckt in der Liebesbeziehung eines der berühmtesten Paare der deutschsprachigen Literatur. Ingeborg Bachmann ist eine gefeierte Lyrikerin, Star der Gruppe 47. Das legendäre Spiegel-Cover von 1954 hat sie ikonisch werden lassen. Max Frisch, ebenfalls erfolgreicher Autor, ist mit der Inszenierung seines Stückes »Biedermann und die Brandstifter« beschäftigt, als beide sich erstmals begegnen. Es ist das Frühjahr 1958. Frisch schreibt der jungen Autorin, wie begeistert er von ihrem Hörspiel »Der gute Gott von Manhattan« ist, Bachmanns Antwort darauf vom Juni desselben Jahres ist der Beginn eines Briefwechsels, der von eben diesem Kennenlernen bis etliche Jahre über die Trennung hinaus andauert. Die Briefe zeigen die Verschränkung von Leben und Werk, sie sind zugleich literarisch und intim, spannend und spannungsvoll, liebend und verletzend, sich zeigend und den Blick verweigernd.

Die junge Regisseurin Susanne Frieling wird den Briefwechsel zur Uraufführung bringen und die Liebesgeschichte, die sich in diesen Briefen auch selbst geschrieben hat, auf die Bühne holen.

Regie Susanne Frieling Bühne Devin McDonough Kostüme Anna Sünkel Musik & Video Max Windisch-Spoerk Dramaturgie Katrin Spira
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Ein Blick von der Brücke
von Arthur Miller
Regie: Eric de Vroedt
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Premiere: 18. Januar 2025


Eddie Carbone ist ein guter Mann. So gut, wie ein Mann in einem harten, gleichförmigen Leben sein kann. Er arbeitet im Hafen, wenn es was zu arbeiten gibt. Er bringt seinen Lohn nach Hause, und er lebt. Dabei sorgt er für Beatrice, seine Frau, und für Catherine, seine siebzehnjährige Nichte, deren Eltern gestorben sind. Dann kommen Marco und Rodolfo ins Land. Illegale Einwanderer, beide Cousins von Beatrice. Ehrensache, dass Eddie sie vor der Einwanderungsbehörde versteckt hat. Aber Catherine, die Eddie wie eine Tochter liebt – oder doch etwas mehr als nur eine Tochter? – Catherine verliebte sich in Rodolfo. Sie werden ein Paar. Und Eddie schlägt um sich, küsst Catherine, küsst Rodolfo, denunziert die Familie, verliert die Kontrolle. Alles Verliert. War er ein guter Mann?

Regie Eric de Vroedt Bühne  Dennis Vanderbroeck Musik Remco de Jong, Florentijn Boddendijk Dramaturgie Alexander Leiffheidt Licht  Marcel Heyde
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FEB
Aus freien Stücken?
Junges Schauspiel Frankfurt
in Kooperation mit dem Geschichtsort Adlerwerke,
Vereinen und Aktiven im Gallus 
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Februar bis Juni 2025, diverse Orte im Gallus

Im Stadtteil Gallus setzt sich das Junge Schauspiel mit Geschichts- und Kulturvereinen sowie migrantischen Selbstorganisationen in Verbindung. Welche Erfahrungen, Perspektiven und Utopien stecken in diesem Engagement? Gemeinsam mit Künstler:innen entstehen aus dieser Vernetzung theatrale Interventionen, Social Media-Beiträge und Performances im Stadtraum.


Im Rahmen des Gesamtprojekts  »Gallus-Geschichten«

Arbeit und Heimat stehen in der jüngeren Geschichte Deutschlands in einem engen und schwierigen Verhältnis zueinander. Im Nationalsozialismus stellten die rassistische Unterschichtung von Zwangsarbeiter:innen und die Ideologie der »deutschen Arbeit« ein oft tödliches System der Ausbeutung dar.
Wie wirken Teile dieser ideologischen Muster bis heute fort? Wie blicken Nachkommen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter:innen auf Möglichkeiten der »Beheimatung« in Deutschland, wie ehemalige »Gastarbeiter:innen«, wie ihre Kinder- und Enkelgeneration und wie Menschen auf der Suche nach Schutz und Arbeit? Wie setzen sich Ausschlüsse und Abwertungen fort? Was kann, was muss (neu oder wieder) erzählt werden? Wie können wir fragen, wie Worte und Bilder finden, wie lebensgeschichtliche Brüche, aber auch Erfolgsgeschichten sicht- und hörbar machen? Frankfurt ist stolz auf seine »gelebte Diversität« - Wunschbild oder Wirklichkeit?

»Gallus-Geschichten« geht in drei miteinander verwobenen Projekten diesen Fragen nach – und zwar spezifisch im Frankfurter Stadtteil Gallus mit seinen Initiativen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und Zwangsarbeit, seiner Geschichte von Arbeitskämpfen, Marginalisierung und migrantischer Selbstorganisation. Wir vernetzen uns mit Zeitzeug:innen und Institutionen vor Ort und suchen Verbindendes in separaten Erzählungen von Sehnsüchten und Perspektiven in verschiedenen Generationen. Ausdrucksformen zu finden in Perfomances, künstlerischen Aktionen und Theaterstücken in Stadtteil-Institutionen, im Stadtraum und im Schauspiel Frankfurt, sichtbar und hörbar zu sein und darum wird es gehen.

Gesamtkonzept Martina Droste

Das Gesamtprojekt wird im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
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Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare
aus dem Englischen von Frank Günther
Regie: Christina Tscharyiski
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Premiere: 07. Februar 2025


Drei Tage noch bis zur Hochzeit des Herrschers Theseus mit der Amazonenkönigin Hippolyta. Und noch eine weitere Hochzeit steht an: Hermia, die Lysander liebt, soll Demetrius heiraten, zumindest ist dies der Wille ihres Vaters. Widersetzt sie sich, so droht ihr das Gesetz mit Tod oder lebenslanger Einsamkeit. Die liebenden Fliehen vor diesem Drohszenario aus Athen in den Wald. Verfolgt werden sie von Demetrius und Helena, die zwar ihn liebt, aber er nicht sie. Der magische Wald ist das Königreich der Elfen – regiert durch das Königspaar Titania und Oberon. Die Nacht des Waldes setzt die Gesetze außer Athens Kraft und offenbart verborgene Träume. Der umtriebige Kobold Puck bringt die Dinge in Bewegung: Zaubertränke fließen, Identitäten verflüssigen sich, Partner:innen und plötzlich eröffnet sich ein neuer Möglichkeitsraum. Den sucht auch eine Gruppe von Handwerkern, die fest entschlossen ist, das nahezu aussichtslose Unterfangen anzugehen und eine Theateraufführung auf die Beine zu stellen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.

Die Regisseurin Christina Tscharyiski inszeniert Shakespeares Komödie über die Irrungen und Wirrungen der Liebe im Reich der Elfen und der Menschen, indem sie den urkomischen sowie urmenschlichen Fragen dieses zeitlosen Stoffs nachgeht und das (alb-)traumhafte Potenzial des Theaters heraufbeschwört. Nach ihren Inszenierungen »Mascha K. (Tourist Status)« und »Der Raub der Sabinerinnen« setzt sie damit ihre Arbeit am Schauspiel Frankfurt fort.

Regie Christina Tscharyiski  Bühne Stéphane Laimé Kostüme Leonie Falke Dramaturgie Lukas Schmelmer
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Dingens
von Hanoch Levin
aus dem Hebräischen von Matthias Naumann
Regie: Sapir Heller
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Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 14. Februar 2025


Fogra wird heiraten und niemand hat sich die Mühe gemacht, Dingens einzuweihen. Dingens ist der entfernte Verwandte und Untermieter von Fogras Eltern, Klamanope und Teigalech, und seine Kränkung ist der Auftakt zu diversen brutalen Machtspielen in der Familie und ihrer Umgebung. Hanoch Levin, Israels bekanntester und kontroversester Dramatiker, portraitiert in diesem Stück eine Gesellschaft, in der das Glück des Einen nur auf Kosten des Anderen zu haben ist, in der die Menschen ihr Selbstwertgefühl aus der Misere der anderen ziehen. Der bedauernswerte Dingens steht in dieser Versuchsanordnung, die bar jeder Solidaritätsregung ist, am Ende der Nahrungskette und begehrt wütend gegen die Missachtung seiner Mitmenschen auf. Die anderen Figuren sind sich einig in ihrer Ablehnung von Dingens, drohen sich aber gegenseitig auch permanent Liebesentzug und Grausamkeiten an – die Eheleute wenden sich gegeneinander, Fogra hält alle, einschließlich ihrer Eltern, zum Narren, eine zarte Liebeshoffnung wird im Keim erstickt.

In einer Inszenierung der israelischen Regisseurin Sapir Heller wird diese groteske, bitterböse Komödie des 1999 verstorbenen Levin zum ersten Mal auf einer deutschsprachigen Bühne präsentiert. Hellers verdichtete und zugespitzte Spielfassung des Textes wird begleitet von Kompositionen des bekannten Jazzmusikers Omer Klein.

Regie Sapir Heller Bühne & Kostüme Ursula Gaisböck, Sophia Profanter Musik Omer Klein Dramaturgie Eivind Haugland
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MÄR
Don Quijote
nach Miguel de Cervantes
von Peter Jordan
Regie: Peter Jordan & Leonhard Koppelmann
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Uraufführung
Premiere: 14. März 2025


Die Sonne brennt, das Pferd hat Hunger, Sancho ist müde – und Don Quijote dreht am Rad. Er fuchtelt gegen Windmühlen, legt sich mit vermeintlichen Barbaren an und will doch nur das einzig Gute und Beste, für sich, seine Geliebte – und obendrein die ganze Welt, wenn er leicht größenwahnsinnig herausposaunt: »Ich werde endlich aus dem Schatten der Weltgeschichte treten und in sie eingehen als wahrer Märtyrer.«
Ist er verrückt, wagemutig oder einfach nur komisch? Welche Sehnsucht treibt ihn an, diesen Don Quijote, von dem alle ein Bild zu haben scheinen, aber niemand wirklich eine Ahnung, was er für einer ist. Warum hat er die Windmühlen angegriffen? Und was soll das eigentlich heißen: einfach komisch?

»Ich verliere wirklich den Verstand! Alles was ich vorgab zu sein, werde ich wirklich!«, sagt er in Peter Jordans Bearbeitung. Eine Steilvorlage für das Spiel, das Theater – und den Witz. Diesen treibt die sehr freie Überschreibung auf die Spitze. Sie setzt auf schauspielerischen Turbogang, Timing, Slapstick und eine gute Portion von sehnsüchtigem Wahn. Eine Mischung, die darauf aus ist zu zeigen, wie lustvoll Theater sein kann, wenn man die Sache mit dem Humor ernst nimmt.

Regie Peter Jordan, Leonhard Koppelmann Bühne Steffi Bruhn Kostüme Barbara Aigner Video Meike Fehre Dramaturgie Katrin Spira
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B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht
Junges Schauspiel Frankfurt
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Uraufführung
Premiere: 08. März 2025

Wie lassen sich die Fäden aus dem Abenteuer des Zuhörens und Sortierens im Hier und Jetzt verknüpfen? Aus den vielfältigen Zeitzeugnissen der Projekte »Zeit für Zeug:innen« und »Aus freien Stücken?« schöpft ein junges Ensemble: Subjektiv und voller eigener Sehnsüchte stürzen sie sich in das Abenteuer des Zuhörens, Verstehenwollens, Sortierens, Verbindens. Was hat System in den Geschichten zu Arbeit und Heimat und was wollen sie heute selbst? Ein Theaterabend voller gemeinsamer Erinnerungen an die Zukunft.

Konzept & Regie Martina Droste Bühne & Kostüme Michaela Kratzer


Im Rahmen des Gesamtprojekts  »Gallus-Geschichten«

Arbeit und Heimat stehen in der jüngeren Geschichte Deutschlands in einem engen und schwierigen Verhältnis zueinander. Im Nationalsozialismus stellten die rassistische Unterschichtung von Zwangsarbeiter:innen und die Ideologie der »deutschen Arbeit« ein oft tödliches System der Ausbeutung dar.
Wie wirken Teile dieser ideologischen Muster bis heute fort? Wie blicken Nachkommen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter:innen auf Möglichkeiten der »Beheimatung« in Deutschland, wie ehemalige »Gastarbeiter:innen«, wie ihre Kinder- und Enkelgeneration und wie Menschen auf der Suche nach Schutz und Arbeit? Wie setzen sich Ausschlüsse und Abwertungen fort? Was kann, was muss (neu oder wieder) erzählt werden? Wie können wir fragen, wie Worte und Bilder finden, wie lebensgeschichtliche Brüche, aber auch Erfolgsgeschichten sicht- und hörbar machen? Frankfurt ist stolz auf seine »gelebte Diversität« - Wunschbild oder Wirklichkeit?

»Gallus-Geschichten« geht in drei miteinander verwobenen Projekten diesen Fragen nach – und zwar spezifisch im Frankfurter Stadtteil Gallus mit seinen Initiativen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und Zwangsarbeit, seiner Geschichte von Arbeitskämpfen, Marginalisierung und migrantischer Selbstorganisation. Wir vernetzen uns mit Zeitzeug:innen und Institutionen vor Ort und suchen Verbindendes in separaten Erzählungen von Sehnsüchten und Perspektiven in verschiedenen Generationen. Ausdrucksformen zu finden in Perfomances, künstlerischen Aktionen und Theaterstücken in Stadtteil-Institutionen, im Stadtraum und im Schauspiel Frankfurt, sichtbar und hörbar zu sein und darum wird es gehen.

Gesamtkonzept Martina Droste

Das Gesamtprojekt wird im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
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APR
Die Zofen
von Jean Genet
Regie: Rieke Süßkow
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Premiere: 25. April 2025


Die Schwestern Claire und Solange spielen ein Spiel von Herrschaft und Knechtschaft, in dem die Grenzen von Vorstellung und Wirklichkeit verschwimmen. Sie sind die Zofen einer gnädigen Frau, der sie in sadomasochistischer Verehrung hasserfüllt ergeben sind. In Abwesenheit ihrer Herrin proben sie den Aufstand in verteilten Rollen, in sich scheinbar endlos wiederholenden, genau einstudierten Ritualen. In der Stickigkeit des vornehmen Boudoirs sind alle Objekte aus dem Besitz der gnädigen Frau heilig und dem niederen Dasein der Schwestern überlegen, die sich gegenseitig immer weiter erniedrigen. Mordlust und Todesangst würzen das Spiel. Als die gnädige Frau dann tatsächlich auftritt (ihren Gatten haben die Schwestern durch eine List der Justiz ausgeliefert), kann sie ihre Rolle kaum mehr besser spielen, als es im Spiel der Zofen schon dargeboten wurde. In der Überlagerung der Identitäten tritt die gegenseitige Abhängigkeit der drei Frauen umso deutlicher zutage – ihre Schicksale bedingen einander, und schließlich zerbricht das fragile Machtgefüge durch einen realen Tod innerhalb der Fiktion des Spiels im Spiel.

Dieses meistgespielte Stück von Jean Genet, der sich stets im Gegensatz zu den herrschenden Mächten verortete, provozierte bei seiner Uraufführung 1947 heftigen Widerstand. Die junge Regisseurin Rieke Süßkow, deren formstarke Arbeiten bereits zweimal zum Theatertreffen eingeladen waren, inszeniert das Stück des radikalen poète maudit in den Kammerspielen.

Regie Rieke Süßkow Bühne Mirjam Stängl Kostüme Sabrina Bosshard Musik Philipp C. Mayer Dramaturgie Katja Herlemann
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Solaris
nach Stanisław Lem
aus dem Polnischen von Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Regie: Christian Friedel
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Premiere: 26. April 2025


Um eine rote und eine blaue Sonne kreist der Doppelsternplanet Solaris. Seit seiner Entdeckung zieht der rätselhafte intelligente Ozean des Planeten immer neue Generationen von Wissenschaftler:innen an. Bei den unzähligen Versuchen, das Geheimnis des Ozeans zu ergründen, kam es bereits zu zahlreichen merkwürdigen Zwischenfällen, von denen viele tödlich endeten. Seit einiger Zeit stagniert die Forschung und auf der Solaris-Raumstation ist von der Euphorie der Anfangsjahre längst nichts mehr zu spüren. Als der Psychologe Kris Kelvin dort eintrifft, erfährt er, dass Gibarian, sein langjähriger Vertrauter und Leiter der Besatzung, am Vortag Selbstmord begonnen hat. Die zwei verbliebenen Wissenschaftler, der Kybernetiker Snaut und der Biochemiker Sartorius, wirken verstört und werden von seltsamen »Gästen« heimgesucht: ominösen Doppelgängern von Personen aus ihrem früheren Leben. Plötzlich sieht sich Kelvin seiner längst verstorbenen Frau Harey gegenüber. Nach und nach greift er, dass der intelligente Ozean mit all dem in Verbindung steht. Ist das die lang ersehnte Kontaktaufnahme, eine Abwehrreaktion oder nur eine zufällige Spielerei?

Stanisław Lem entwickelt in diesem Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur ein fesselndes Szenario, das die menschliche Identitätssuche und Schuldbewältigung, das Streben nach Wissen und die Begegnung mit dem Unbekannten befragt. Der Schauspieler, Musiker und Regisseur Christian Friedel bringt in seiner ersten Regiearbeit am Schauspiel Frankfurt den Stoff in eine eigene Bearbeitung auf die Bühne. Seine Inszenierung setzt auf das enge Zusammenspiel zwischen Musik und Spiel, Video und Licht, Bewegung und Raum.

Regie
Christian Friedel Bühne Fabian Wendling Kostüme Ellen Hofmann Video  Clemens Walther Choreographie Valenti Rocamora Torà Musik Woods of Birnam Dramaturgie Lukas Schmelmer
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MAI
Die Frau am Meer - Oder: Finden sich Rudimente einer Ur-Fischart im menschlichen Gemüt?
nach Henrik Ibsen
Regie: Barbara Bürk
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Premiere: 16. Mai 2025


Henrik Ibsen hat seine Frauenfiguren sorgfältig mit bürgerlichen Biographien ausgestattet. Die tiefere Herkunft einer Nora, einer Hedda oder einer Ella liegt aber, so könnte man vermuten, jenseits alles Bürgerlichen in einer Art Urkraft oder Naturgewalt, einem elementaren, atavistischen Begehren. So ist auch Ellida, die »Frau vom Meer«, eine Art Mischwesen: halb zweite Ehefrau des früh verwitweten Kleinstadtarztes Dr. Wangel, halb Meereswesen, das sich nach der willenlosen Weite des Ozeans zurücksehnt. Eine Nixe, zerrissen zwischen Freiheit und Bindung. Wie aber, wenn dieser Konflikt in jedem Menschen schlummerte? Sind wir nicht alle ein wenig Fisch? »Eine Fischart bildet ein Urglied in der Entwicklungsreihe des Menschen«, notierte schon Ibsen.

Barbara Bürk, bekannt für den skurrilen Humor ihrer singenden, tanzenden und mitunter bitterböse ins Groteske schwingenden Arbeiten, begibt sich dieses Mal mit tatkräftiger Unterstützung des »nordischen Magus« Ibsen auf die Suche nach der Fischnatur im Menschen.

Regie Barbara Bürk Bühne & Kostüme Anke Grot Musik Markus Reschtnefki  Dramaturgie Alexander Leiffheidt
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Der Sandmann
nach E.T.A. Hoffmann
Regie: Lilja Rupprecht
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Premiere: 23. Mai 2025


Sehnsucht, Liebe, Angst und Wahn geben sich in „Der Sandmann“ die Hand. Der junge Student Nathanael schreibt an seinen Freund: »Etwas Entsetzliches ist in meinem Leben getreten!« Die Begegnung mit dem Wetterglashändler Coppola lässt bei ihm düstere Erinnerungen an seine Kindheit wach werden. Als kleiner Junge war er der Überzeugung, dass der »fürchterliche Sandmann« seinen Vater umgebracht habe. Hinter dieser Schreckgestalt, die angeblich den Kindern, die nicht schlafen wollten, Sand in die Augen streute, »dass sie blutig zum Kopf herausspringt«, steckte seine Meinung nach dem Advokat Coppelius.
Mit der Gestalt Coppolas schleichen sich die traumatischen Erlebnisse aus Nathanaels Kindheit sich in seine Gegenwart hinein. Wahn und Fiktion überlagern sich und Nathanael verliert zunehmend den Halt. Umso mehr, als darüber hinaus noch eine »falsche« Liebe in seinem Leben tritt…

Lilja Rupprecht, die in Frankfurt bereits zum fünften Mal inszeniert und sich zuletzt für Jelineks »Sonne/Luft« und Fassbinders »Die Ehe der Maria Braun« verantwortlich zeichnete, bringt diesen Stoff der »schwarzen Romantik« auf die große Bühne.

Regie  Lilja Rupprecht Bühne  Christina Schmitt Kostüme Annelies Vanlaere  Video  Moritz Grewenig Dramaturgie Katrin Spira
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JUN
Forsythe/Hauert
Gastspiel der Dresden Frankfurt Dance Company
Details

Premiere: 05. Juni 2025


Mit diesem Doppelabend schließt sich ein Kreis. William Forsythe gilt zurecht als einer der wichtigsten Choreografen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Sein innovativer Umgang mit der Tradition des Balletts hat dem Tanz Richtungen eröffnet, die zuvor schwer vorstellbar schienen. Von 1984 bis 2004 leitete Forsythe das Ballett Frankfurt und von 2005 bis 2015 The Forsythe Company, die später in Dresden Frankfurt Dance Company umbenannt wurde.
Ioannis Mandafounis, der gegenwärtige künstlerische Leiter der Company, war Tänzer bei Forsythe, entsprechend knüpft Live-Choreografie, die Improvisationsmethodik mit der die Company heute arbeitet, an viele Prinzipien an, die Forsythe entwickelt hat.
Für Thomas Hauert ist Improvisation ein Mittel, um Bewegungen hervorzubringen und zu komponieren. Seit Ende der 90er Jahre erforscht er mit der Company ZOO das Spannungsverhältnis zwischen tänzerischer Freiheit und Eingrenzung. Wenn Tänzer:innen in einer Gruppe gemeinsam improvisieren, müssen sie einen neuen Umgang mit Kontrolle finden. Aufgaben, Regeln und Beschränkungen können die Konditionierung des Körpers so stören, dass Improvisation zu etwas Unerwartetem führt. Was wird aus der Verbindung der heutigen Bewegungspraxis des Ensembles mit diesen beiden künstlerischen Handschriften entstehen?

Choreografien William Forsythe, Thomas Hauert Tanz Todd Baker, Thomas Bradley, Emanuele Co’, Audrey Dionis, Louella May Hogan, Nastia Ivanova, Marina Kladi, Noémie Larcheveque, Ugnė Irena Laurinavičiūtė, Yan Leiva, Emanuele Piras, Solène Schnüriger, Ichiro Sugae, Ido Toledano, Ashley Alexandra Wright, Samuel Young-Wright
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JUL
Über die Spielzeit
Macht unsere Präsenz irgendwas mit diesem Ort oder sind wir bloß Deko?
Ein E-Mail-Wechsel zwischen der Schriftstellerin Fatma Aydemir und dem Autor und Regisseur Nuran David Calis
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Lieber Nuran,

das erste Mal, dass ich freiwillig im Theater war – also abseits von aufgezwungenen Schulausflügen –, war 2009 in Frankfurt. Mich sprach jemand auf dem Campus an und wir gingen auf ein Date ins Schauspiel, zu »König Ödipus« von Sophokles. Ich erinnere mich noch, wie beeindruckt ich war, nicht nur von der Selbstverständlichkeit, mit der ein junger Mann das Theater zu unserem Ort erklärte. Auch von diesem imposanten Glasbau, an dem ich normalerweise nur vorbeilief, jeden zweiten Morgen zu meiner Schicht in einem nahegelegenen Café. Nun saß ich drin, bewunderte die Bühne, das Licht, den Chor, der mit Papiermasken über den Köpfen die Götter pries. Mich überfiel eine Melancholie bei dem Gedanken daran, dass der Text, den wir hörten, über zweitausend Jahre alt war. Ich mochte dieses Gefühl, die krasse Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit. Wir alle sind vergänglich, nur die Geschichten bleiben. The show must go on.

Abseits des Bühnengeschehens verfolgte ich noch ein weiteres Stück, so kam es mir vor: Das Theaterpublikum. Mit seinen Schals und Perlenketten und klackernden Absätzen und Parfüms und Weinschorlen und Meinungen und Laugenbrezeln. Es war so, als sprächen sie eine fremde Sprache mit ihren Gesten und Vokabeln. Ich kam mir vor wie ein Eindringling in einer geschlossenen Gesellschaft, was nicht ausschließlich unangenehm war, sondern auch ein bisschen aufregend. Als hätte ich mich mit meinen ausgelatschten Sneakers durch die Hintertür reingeschlichen unter die feinen Leute, dabei hatte ich mir am Eingang brav ein Studiticket für 8 Euro gekauft (ja, es war ein Date, bei dem getrennt gezahlt wurde). Niemand schaute auf meine Schuhe oder überhaupt in meine Richtung. Ich war wie Luft. Oft ist das der beste Zustand, um das Geschehen genauer zu beobachten.

Was ich sagen will, Nuran: Dieses Haus, was so ganz selbstverständlich Raum einnahm im Herzen der Stadt, in der ich damals lebte, war für mich bloß Teil einer ansehnlichen Kulisse meines Arbeitswegs gewesen. Hätte mich nicht jemand dorthin geschleppt, wäre ich nie auf die Idee gekommen, reinzugehen. Zu denken, ich hätte da was verloren. Wie unwahrscheinlich ist es eigentlich, dass wir unter diesen Umständen als Arbeiter:innenkinder, als Gastarbeiter:innenkind und -enkel am deutschen Theater als Künstler:in gelandet sind? Wen erreichen unsere Geschichten dort überhaupt? Spielen wir nicht im Grunde für dasselbe Publikum, das sich unaufhörlich selbst reproduziert, plus diese ein, zwei Fatmas und Nurans, die sich zufällig dorthin verirren? Was bedeuten wir dem Theater? Macht unsere Präsenz irgendwas mit diesem Ort oder sind wir bloß Deko?

Ich wüsste gerne von deinem ersten Theaterbesuch. Welche Sehnsucht hat das in dir ausgelöst, Nuran? Ich denke, für mich war es eine Sehnsucht nach Geschichten, die bleiben. Deshalb schreibe ich, weil ich zu den grundliegenden Fragen durchdringen will, die mich überdauern, die mir über den Kopf wachsen. Im Grunde bin ich permanent in diesem Luftzustand, schaue den anderen zu, aber bleibe für mich. Meine Tätigkeit, das Schreiben, ist ja auch eine sehr einsame, die eigentlich bloß Ruhe und einen Stift braucht, während du beim Inszenieren nicht ohne Gruppe agieren kannst. Ist es vielleicht auch ein Bedürfnis nach Gemeinschaft, das dich zur Regie trieb?

Ich freue mich von Dir zu hören.
Mach’s gut, Nuran, kolay gelsin.
Sevgiler,
Fatma
»Ich denke, für mich war es eine Sehnsucht nach Geschichten, die bleiben.«
Liebe Fatma,

Der Dichter Federico García Lorca zitierte gerne diesen Vers über Granada:

»Paradies, verschlossen für viele, Gärten, offen für wenige«.

Wenn ich von da, wo ich stehe, in Richtung meines Hauptbahnhofs gehe, werde ich auf dem Weg immer eine stärkere Gegenwärtigkeit erblicken, als momentan im Theater. Woran mag das liegen?! Und wie kann ich versuchen, diesen Riss zu schließen?! Ich denke, dass ich dieser Lücke nicht dadurch entgegentreten kann, dass ich die ästhetische und soziale Frage gegeneinander ausspiele – sondern indem ich sie solidarisch gegenüberstelle und Brücken baue. Ich habe mich, ungefähr seit meinem »Lücke«-Projekt, in Köln, das sich mit der NSU-Nagelbombe auf der Keupstraße befasste, entschlossen, im Theater konsequent am migrantischen Kanon zu arbeiten. So lange ich die Kraft habe und man mich lässt...- Ich habe mich entschlossen, mich an Themen und Persönlichkeiten wie dich oder Dogan Akhanli zu halten. Mich an euren Narrativen zu orientieren. Denn, als ich anfing, gab es solche Stimmen nicht. Ich fühlte mich in meiner Kunst und als Individuum mit meinem Background im Theater isoliert. Aber jetzt gibt es nicht nur dich und mich, es gibt auch Selen Kara, Pinar Karabulut, Ersan Mondtag und natürlich Shermin Langhoff...- Zwar immer noch zu wenige, aber alles Stimmen, die, dich eingeschlossen, konsequenter, kompromissloser sind, als ich damals, als ich anfing.

Ich habe ab ungefähr zu der Zeit, als »Lücke« entstand, mein Leseverhalten geändert. Nicht mehr historische Dinge, sondern mehr die Gegenwart, nicht mehr so Vieles aus dem deutschen Kanon, sondern mehr losgelöst vom deutschen Kontext. Jüngere Stimmen. Gegenwärtige Stimmen. Texte von Sasha Salzmann, Deniz Utlu, Max Czollek haben mir mehr über mich und meine Gegenwart erzählt, als was ich bis dahin gelesen hatte. Ich weiß auch, welche Schwierigkeiten sich mir als Künstler im Theater entgegenstellen: Eine Kunst, die versucht, sich solidarisch mit benachteiligten Gruppen zu zeigen, findet selten einen Draht zum Zuschauer. Es fällt auf der einen Seite schwer, ästhetische Zeichen zu setzen ohne zu moralisieren und auf der anderen Seite, diese zu lesen, ohne sich belehrt zu fühlen. Wie kann ich dem entgegenwirken?! Diese Frage beschäftigt mich sehr im Theater.

Das letzte Theaterstück, das ich gesehen habe – war kein Stück, sondern eine Lesung von Amir Gudarzi im Studio in Mannheim. Wieder einmal kam eine Frage auf: Ob er auf Persisch denke und träume…?! Da frage ich mich, wann wir solche Fragen überwinden?! Wir sind seit 70 Jahren hier...– In meiner Jugend gab es für mich nur einen Sehnsuchtsort, das war das Theater. Klingt seltsam, denke ich, obwohl meine Familie und Freunde, niemand was damit zu tun hatte… Als ich meiner Mutter sagte, dass ich nach München gehe, um Regie zu studieren, ich hatte gerade mein Abitur in der Tasche, fiel sie fast vom Stuhl … Der Gedanke an den Sehnsuchtsort: Theater entstand bei mir sehr früh. Ich war 15 oder 16. Viele in meiner Umgebung, meine Freunde, meine Eltern waren nur mit dem Überleben beschäftigt. Das Nötigste hinbekommen. Ich und meine Eltern auch. Mein Vater war mal wieder arbeitslos und ertrank seinen Kummer und seine Ängste in Raki. Meine Mutter ging morgens um 6 aus dem Hause, putzen, erst bei einer Speditions-Kaufmanns-Familie, dann bei einer Ärzte-Familie, dann ab 13.30 Uhr die Brodhagen Hauptschule und zweimal die Woche noch ein Versicherungsbüro. Abends, da ging ich dann meistens mit. Und ich half bei der letzten Schicht. Alle um mich herum und wir dachten nur ans Miete zahlen, Essen auf den Tisch…- Ich war Einzelkind und irgendwie der einzige Halt für meine Eltern. In dieser Zeit entwickelte sich eine große Sehnsucht nach Solidarität. Vielleicht weil ich mich meine ganze Kindheit als Einzelkind und in der gefühlten Isolationshaft unseres Asylverfahrens allein, ausgegrenzt, unbeachtet und nicht gewollt gefühlt habe.

Meine Teenagerzeit erlebte ich wie unter einer Tarnkappe. Versteckte meine differenzierte Identität, versteckte meine Sehnsucht, Stücke zu lesen, Literatur zu mögen, heimlich ins Theater in Bielefeld zu gehen. Meine Tarnung war der »Türsteher«, denke ich, das Boxen und die Tatsache, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Doch als ich mit dem Theaterding anfing, fehlte mir die Solidarität, da es fast niemanden im Theater mit ähnlichen Erfahrungen gab. Außer Fatih Akin, aber er machte Filme. Ich erinnere mich, wie ich kurz nach dem Studium Theaterstücke schrieb. Die Theaterleitungen fanden Interesse daran, aber es fanden sich meisten keine Regisseur:innen in meiner Generation, die es umsetzen wollten, meistens winkten sie ab, die Kanak-Welt sei nicht ihre… Dies führte dazu, dass ich anfing, immer öfter die Stücke, die ich schrieb, auch umzusetzen. Den Theaterleitungen und den Künstler:innen um mich herum will ich gar keinen Vorwurf machen. 70 Jahre lang kamen wir kaum in Narrativen vor. Wir waren ein blinder Fleck in der Kulturlandschaft. In den Ausbildungsstätten der Kunsthochschulen, den Institutionen, erwartete man die Umsetzung und Instandhaltung des Kanons. Diese Leerstelle »Der Kanon«, was ist das?! Wer bestimmt das?! Das sehe ich als meine dringlichste Anstrengung im Theater für mich. Die großen Neuerungen des Theaters der 60er, 70er, 80er, 90er setzen sich nie für die migrantischen Erzählungen ein...

Lieben Gruß, Nuran
»70 Jahre lang kamen wir kaum in Narrativen vor. Wir waren ein blinder Fleck in der Kulturlandschaft.«
Selam Nuran,

»engagierte Literatur« lautet ein Begriff, der in letzter Zeit wie eine Beleidigung auf Werke angewandt wird, die sich mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzen. In den Augen einiger Kritiker:innen sind diese (auch meine) Bücher keine »echte« Literatur, weil sie mehr wollen, als auf eine bestimmte Art schön zu sein. Ich kenne das Problem des Gegeneinanderaufwiegens von ästhetischen und sozialen Fragen also zu gut. Und wahrscheinlich ist das eine uralte Strategie des Establishments, die Deutungshoheit zu bewahren darüber, was ein guter Stil ist und was nicht. Die beste Art sich dazu zu verhalten, ist für mich: Einfach weitermachen, produktiv bleiben, sich untereinander austauschen. Du hast sogar eine noch bessere Idee: Einen eigenen Kanon erschließen und mitprägen. Ich bin unsicher, ob mir der Kanonbegriff taugt, Nuran, aber mir gefällt, was du damit vorhast. Ich mag die Idee eines Risses, den du damit zu schließen versuchst.

Mich interessiert, wie du dir dein Publikum imaginierst. Ich weiß, die Frage ist eine absolute Pest: »Für wen schreibst du?« Aber ich würde gerne wissen, was diese Frage mit dir macht? Ob du tatsächlich an konkrete Menschen denkst, wenn du schreibst oder inszenierst? Ich werde das auf öffentlichen Veranstaltungen nämlich oft gefragt und ich tue immer so, als gäbe es keine Antwort auf diese Frage. Dabei stimmt das nicht.

Wenn ich schreibe, also wenn ich diesen Selbstschutz Schicht für Schicht ablegen muss wie ein Kostüm, wenn ich mich in meiner ganzen Verletzbarkeit und auch Lächerlichkeit mir selbst ausliefern muss, um einer Wahrheit auf die Spur zu kommen – habe ich tatsächlich Menschen vor Augen. Nur sind es wechselnde Menschen. Es sind reale und ausgedachte, mir zugewandte und solche, die mich verachten. Menschen, die ich kenne, Menschen, die ich liebe, Menschen, die vor mir gelebt haben und die, die noch kommen werden.

Für wen schreibst du? Oft geht diese Frage ja selbst mit einer Grenzziehung einher. Sie wird nämlich nicht allen Autor:innen gestellt, zumindest nicht in derselben Häufigkeit. Während manchen fiktionalen Erzählungen eine Universalität zugestanden wird, in ihrem Vermögen alle möglichen Leser:innenschaften zu erreichen, sagt man anderen Geschichten den Fokus auf Partikularinteressen nach, Nischenliteratur sozusagen, geschrieben über oder für eine bestimmte Szene, die nichts Allgemeingültiges für eine Gesellschaft zu formulieren vermag – weil sie zu queer ist, oder zu schwarz, oder zu jüdisch, oder zu migrantisch, oder zu arm. Sie kann aber Einblick in eine »andere Welt« verschaffen, die vielen Leser:innen im »normalen Leben« verschlossen bleibt.

In Europa zu schreiben und als Teil einer Diaspora zu gelten, bedeutet immer auch, als Repräsentantin dieser Diaspora wahrgenommen zu werden. In Europa zu schreiben über Figuren, die sich selbst als Teil einer Diaspora begreifen, bedeutet, die eigenen Figuren dem eurozentrischen Blick auszuliefern. Alle Konflikte, die diese Figuren haben, werden potenziell auf ihren kulturellen Hintergrund zurückgeführt. Jedes Fehlverhalten, jede moralische Verwerflichkeit, die ich meinen Figuren einverleibe, als Kritik an der eigenen Community gelesen.

»Für wen schreibst du?«, stellt immer auch implizit die Frage: »Was sagen deine Landsleute dazu?« Die zynische Stimme in meinem Kopf übersetzt das als: »Na, du kleine Netzbeschmutzerin, bei uns bist du sicher.« Kennst du diese Stimme, Nuran?

Bei manchen meiner Lesungen bin ich die einzige rassifizierte Person im Raum. Selbstverständlich fühlt es sich seltsam an, in so einem Raum über Figuren zu sprechen, die gewalttätig sind, die einander unterdrücken und die aus muslimischen Einwandererfamilien stammen. Natürlich sind und tun diese Figuren noch vieles mehr, und das ist nur eine sehr verzerrte, einseitige Zusammenfassung von ihnen, aber irgendwer im Raum wird sie genau so zusammenfassen, und in diesem Wissen sitze ich da. Meine Antworten werden glatt und unpersönlich. Ich bin höflich und dankbar, dort lesen zu dürfen, und gleichzeitig wehre ich mich mit Händen und Füße dagegen, Komplizin zu sein in einem selbstauferlegten Bildungsauftrag reicher weißer Europäer:innen, mit dem sie die armen Migrant:innen vor ihren unzivilisierten Verhältnissen retten wollen. Sie stellen Fragen. Meine Antworten gehen ins Allgemeine, was viele als das Vage deuten mögen, aber das ist es nicht. Die Gewalt und die Unterdrückung, die meine Figuren erfahren und ausüben, sind nicht partikular, will ich damit sagen, sie sind universell. Sie stecken in jeder unserer Beziehungen, egal, wer wir sind. Sie unterscheiden sich vielleicht in Nuancen, in Dialekten, im Klang. Trotzdem gibt es Gespräche, die ich in diesen weißen Räumen nicht führen will, es gibt Stellen in meinem Buch, die ich in der Öffentlichkeit lieber nicht lese. Nicht, weil ich mich ihrer schäme. Sondern weil sie Kontext brauchen. Weil sie Ruhe brauchen. Sie eignen sich nicht für polemische Diskussionen über »Europa und den Islam«, den Besucher:innen nicht selten mit mir führen wollen, weil sie gerade diesen Zeitungsartikel gelesen haben. Ich habe natürlich eine Haltung dazu, meine Figuren sollen dafür aber nicht herhalten. Ein Roman ist kein Debattenbeitrag. Er gibt keine eindeutigen Antworten auf pragmatische Fragen. Er ist Kunst, er will erfahren werden. Unpolitisch ist er deshalb nicht.

Wir alle lesen Literatur, gehen ins Theater mit unterschiedlichen Filtern. Unsere Biografien, die Sprachen, die wir sprechen, die Geschichten, die wir bereits kennen, beeinflussen unseren Blick auf jede neue Erzählung, die wir lesen. Nach den rassistischen Islamdebatten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte wäre es naiv zu glauben, dass meinen fiktiven Figuren mit weniger Vorurteilen begegnet wird, als Menschen auf der Straße. Aber zu glauben, ich entkäme diesem Blick, indem ich meine Figuren so anlege, dass sie jeder eurozentrischen Leseerwartung widersprechen, ist nicht nur naiv, sondern kontraproduktiv. Denn das hieße ja, dass ich tatsächlich ausschließlich für ein weißes, europäisches Publikum schreibe. Und das tue ich nicht. Auch wenn sie natürlich mitlesen, und nicht nur das: Ich schreibe in einer mitteleuropäischen Sprache, es ist klar, wer den Großteil der Leser:innenschaft ausmacht. Der eurozentrische Blick existiert. Ich kann ihm nicht entkommen, indem ich ihn leugne oder ignoriere. Ich bin ja selbst nicht frei von ihm. Ich bin unter diesem Blick aufgewachsen, ich habe ihn verinnerlicht, ich musste immer wieder versuchen in seiner Gunst zu stehen, ihn selbst zu performen, um in der Schule voranzukommen, um an der Uni ernstgenommen zu werden, um Journalistin werden zu können. Natürlich spielt er in meinem literarischen Schreiben eine Rolle, und zwar mehrfach. Es gibt den eurozentrischen Blick der Leser:innenschaft auf meinen Text, und es gibt den eurozentrischen Blick, mit dem sich die Figuren innerhalb der Geschichte arrangieren müssen. Eine Art Spiegelkabinett eröffnet sich also zwischen mir, meinem Text und meinem Publikum. Jedes Schreiben wird zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit diesem Blick und jedes Schreiben wird somit auch zum Versuch eines Befreiungsaktes.

Ich kenne mein Publikum nicht, ich weiß nicht, für wen ich schreibe. Aber ich vertraue darauf, dass, wenn ich es schaffe, im Schreiben eine Wahrheit über meinen Blick auf die Welt offen zu legen, es auch Leser:innen geben wird, die dem eigenen Blick neu begegnen.

Sevgiler,
Fatma
»Die Gewalt und die Unterdrückung, die meine Figuren erfahren und ausüben, sind nicht partikular, sie sind universell.«
Liebe Fatma,

für wen schreibe ich?! Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die ich erlebt habe. Als ich mit meinem Roman »Der Mond ist unsere Sonne« fertig war und er veröffentlicht wurde, dachte ich, wie schön, das wird meinen Freunden und meiner Familie sehr gefallen. Sie werden bestimmt stolz auf mich sein. Auf »jemanden« aus ihren Reihen, der es geschafft hat, ihre Geschichten zu erzählen. Es gab in meinem Roman viele Figuren, die Ähnlichkeiten zu meinen Verwandten oder Freunden hatten. Ich machte daraus auch kein Geheimnis, dass es eine autobiografisch unterwanderte Coming-of-Age - Erzählung ist. Stark verfremdet, aber dennoch aus der Realität meiner erlebten Wirklichkeit gespeist. Ein oder zwei Freunde meinten kurz nach der Veröffentlichung bei einem Besuch in Bielefeld, ich solle mich hier nicht mehr blicken lassen, sonst würde man mich mit Benzin übergießen und anzünden. Ich sei ein Verräter. Und meine Mutter?! Sie hat den Roman bis heute nicht gelesen, weil ich das Pogrom an den Armeniern und Griechen 1955 in Istanbul erwähnte, das ich aus ihren Erzählungen kannte. Sie war da fünf Jahre alt und sieht die brennenden Häuser und Körper jetzt noch vor sich. Ich war so naiv. Den Aspekt der Re-Traumatisierung hatte ich bei ihr nicht bedacht. Also ja, ich weiß es nicht… von denen ich wollte, dass sie sehen sollen, dass es einer aus ihren Reihen geschafft hat, der trotz Legasthenie Schriftsteller und Autor geworden ist, wollte keiner diese Geschichten lesen. Schlimmer, meine Freunde wendeten sich ab von mir. Sie sahen oder sehen in mir so etwas wie einen Whistleblower, der Geheimnisse verrät oder ihnen in den Rücken gefallen ist.

Mir wurde sehr früh klar, dass ich hier in Deutschland durch meine armenische Herkunft eine Minderheit in der Minderheit war, aufgewachsen in einem Umfeld mit vielen türkischstämmigen Freunden. Meine Eltern waren sehr vorsichtig in meinem Umgang mit meinen Freunden, bis sie herausbekamen, dass fast jeder um mich herum seine eigene Geschichte und Erzählung hatte, die ihrer ähnelte. Bielefeld war und ist ein Zentrum für kurdisches und alawitisches deutsches Leben. Viele meiner Freunde waren Türken, Kurden, Alewiten. Und je höher ich mit ihnen zusammen im Bildungssystem kam, wurde es auch für mich und meine Freunde besser. Wir begannen uns in unseren Geschichten, die wir uns erzählten, miteinander zu solidarisieren. Wir fanden in unseren Geschichten von Gewalt, die über unseren Familien eingebrochen ist, zueinander.

Mir wurde klar, dass jeder seine eigene persönliche, individuelle Geschichte hat, die erzählt werden muss – die Mehrheitsgesellschaft uns aber im Gegenzug alle »gleich« machte und immer noch macht. Ich muss jetzt kurz an meinen Freund Ilker Çatak denken und seinen Satz: »Sandra Hüller, Wim Wenders und der Andere«. Ja, das ist mein Antrieb würde ich sagen.

Ich denke nicht mehr über ein Publikum nach, sondern nur über den Menschen, den ich vorfinde und über den ich erzählen will. Je genauer es mir gelingt, diesen individuellen Menschen, diese eine Geschichte zu erzählen, weiß ich, dass es sein Publikum findet. Losgelöst von ethnischen, religiösen, sozialen Zuschreibungen. Somit gelang es mir, mich aus diesen Schubladen zu lösen, keine Grenzen zu kennen und mich klar »nicht« einordnen zu lassen. Insofern schreibe ich nicht für ein Publikum, sondern vielleicht gegen das gängige Publikum, gegen ein gängiges Narrativ. Gegen ein voreingenommenes, gegen ein kategorisierendes, das gängigen Mustern und Narrativen folgt, gegen Klischees, ihre und meine eigenen. Gegen Ungerechtigkeit, gegen das Vergessen, gegen die eigene Community. Gegen die Tabuisierung. Du hast recht, der europäische Kanon ist uns, mir in die Hände gefallen. Wir konnten es uns nicht aussuchen. Ich bediene mich an diesem Kanon und beziehe Stellung gegen das Muster einer Gesellschaft, das von mir eine Art Unterwerfung einfordert. Ich versuche den Gedanken des Erbes auszudehnen, zu erweitern. Ich bestehe auf mein Recht, auch dieses Erbe einzufordern. Ich sehe mich mit meiner Kunst in einer Art Widerstand: Ich wehre mich gegen Stimmen, die mir aufgrund meiner sozialen und ethnischen Herkunft die ästhetische Stimme absprechen und sie nicht anerkennen.

Lieben Gruß, Nuran


»Leaks. Von Mölln bis Hanau« heißt Nuran David Calis' neues Stück, das am 14. Dezember 2024 in den Kammerspielen uraufgeführt wird.
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