Liebes Publikum,
wir leben in Zeiten des Umbruchs. Spätestens seitdem demokratische Bündnisse nach innen wie außen wackeln, erscheint fragil, was lange Zeit als gesichert galt. Die demokratische, offene Gesellschaft ist in Gefahr – genau jetzt. In dieser Saison wollen wir der heutigen Umbruchszeit samt ihrem scheinbar chaotischen »Jetzt« die Frage »Woher, wohin?« hinzufügen. Christa Wolf schreibt: »Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.« Kein Umbruch geschieht ohne die Vergangenheit, von der man sich abstößt in Richtung Zukunft. Erst indem man die Vergangenheit an sich heranlässt und reflektiert, kann man Zukunft gestalten. Möglicherweise lässt sich dann ein Umbruch mit etwas Kontext auch als Aufbruch lesen – im Idealfall sind die Spuren der Vergangenheit auf eine positive Art in diesen Aufbruch eingeschrieben. So fallen in der Gegenwart Vergangenheit und Zukunft in eins. Das Theater schöpft genau daraus seine Kraft: Es handelt in der Gegenwart ohne jemals Vergangenes und Zukünftiges außen vor zu lassen.
Politische Zeiten erfordern politische Stoffe. Im Schauspielhaus stellt sich Selen Kara erstmals mit »Antigone« vor, wo sich eine junge Frau aus Empathie mit ihrer Familie gegen das Gesetz stellt. Brechts »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« über den Aufstieg eines Tyrannen, unterstützt von den Massen, ist heute ebenso erschreckend aktuell wie Bulgakows »Der Meister und Margarita«, das der im Exil lebende Regisseur Timofej Kuljabin als Rekonstruktion der Mechanismen totalitärer Gewalt lesen wird.
Die Frage danach, woher wir kommen, zeigt sich mit Blick auf Frankfurter Traditionslinien in Claudia Bauers Inszenierung, die anlässlich des 60. Jubiläumsjahres der sagenumwobenen Uraufführung der »Publikumsbeschimpfung« diesen Stoff wieder auf die Bühne bringt. Lotte Schubert und Thorsten Drücker setzen sich in dem musikalischen Abend »Cold Case: Gretchen brennt« mit der Frankfurterin Susanna Margaretha Brandt auseinander, die Goethe zu seiner Gretchenfigur inspirierte und das Duo Stuhler/Koslowski recherchiert die wichtigen Straßen der Stadt und präsentiert die Uraufführung »Die Affäre auf der Straße nach Monaco«. Überhaupt sind in dieser Saison besonders viele Uraufführungen auf dem Spielplan:
Jan Bosse eröffnet das Schauspielhaus mit dem Grusical »Sanatorium zur Gänsehaut« des bei uns bereits durch »Mein Lieblingstier heißt Winter« und »jedermann (stirbt)« bekannten Autors Ferdinand Schmalz. Der Wunsch, auch in Zukunft ewig jung zu bleiben, ist die Triebfeder dieser bissig-komischen Uraufführung. Genau damit beschäftigt sich auch »Das Bildnis des Dorian Gray«, mit dem sich der zuletzt mit dem Kurt-Hübner-Preis für Regie ausgezeichnete Regisseur Ran-Chai Bar-zvi präsentiert. Der ehemaligen Schönheit nachsinnen, das steckt auch im Klassiker »Süßer Vogel Jugend« von Tennessee Williams, den Max Lindemann inszenieren wird.
Die Eröffnung in den Kammerspielen widmet sich in der Uraufführung von Björn SC Deigners »So langsam, so leise« dem Thema Demenz: Was bleibt, wenn die Erinnerungen verschwimmen? Einen weiteren Schwerpunkt bilden
Familienstrukturen, damals wie heute. Aus aktueller Perspektive schreibt Anja Hilling ein Auftragswerk, das sich mit Erziehung und Zusammenleben jetzt und in naher Zukunft beschäftigt und zeigt, was passiert, wenn man mit alten Prinzipien bricht. Liebe, Rollentausch und shakespeareschen Humor präsentiert Tina Lanik mit »Viel Lärm um Nichts«. Den »Verfall einer Familie« in Umbruchszeiten – und zwar den der Buddenbrooks – wird Johanna Wehner zum Ende der Spielzeit im Schauspielhaus in den Blick nehmen. Einem Zeitgenossen Thomas Manns begegnen wir in den Kammerspielen: Der Regisseur Dor Aloni und der Autor Roy Chen führen tragikomische Figuren aus den Erzählungen von Franz Kafka mit einer Uraufführung in die Gegenwart. Eine weitere Persönlichkeit der deutschsprachigen Literatur feiert 2026 ihren 100. Geburtstag: Ingeborg Bachmann. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir eine Uraufführung von Andrea Stoll in den Kammerspielen in Auftrag gegeben.
Das Junge Schauspiel widmet sich mit Martina Droste und einem jungen Performance-Ensemble in den Stückentwicklungen »Paradiesvögel« und »Nahaufnahmen« ebenfalls der Frage, woher wir kommen und wohin wir uns in Zeiten großer Umbrüche und Sinnkrisen bewegen.
Wie in den vergangenen Spielzeiten haben wir passend zum Themenfeld auch die Fotostrecke und unsere Publikation gestaltet. Die Bilder von Noel Richter zeigen unser Ensemble im Stadtraum inmitten von Bewegung. Es sind feste Standpunkte in brüchigen Zeiten. Für die digitale Magazinstrecke sind in diesem Jahr besonders viele literarische Beiträge unserer Autor:innen entstanden, die Sie sich wie gewohnt auch vom Ensemble vorlesen lassen können.
Bis bald im Theater.
Wir freuen uns auf Sie!
Ihr
Anselm Weber
Intendant und Geschäftsführer
Politische Zeiten erfordern politische Stoffe. Im Schauspielhaus stellt sich Selen Kara erstmals mit »Antigone« vor, wo sich eine junge Frau aus Empathie mit ihrer Familie gegen das Gesetz stellt. Brechts »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« über den Aufstieg eines Tyrannen, unterstützt von den Massen, ist heute ebenso erschreckend aktuell wie Bulgakows »Der Meister und Margarita«, das der im Exil lebende Regisseur Timofej Kuljabin als Rekonstruktion der Mechanismen totalitärer Gewalt lesen wird.
Die Frage danach, woher wir kommen, zeigt sich mit Blick auf Frankfurter Traditionslinien in Claudia Bauers Inszenierung, die anlässlich des 60. Jubiläumsjahres der sagenumwobenen Uraufführung der »Publikumsbeschimpfung« diesen Stoff wieder auf die Bühne bringt. Lotte Schubert und Thorsten Drücker setzen sich in dem musikalischen Abend »Cold Case: Gretchen brennt« mit der Frankfurterin Susanna Margaretha Brandt auseinander, die Goethe zu seiner Gretchenfigur inspirierte und das Duo Stuhler/Koslowski recherchiert die wichtigen Straßen der Stadt und präsentiert die Uraufführung »Die Affäre auf der Straße nach Monaco«. Überhaupt sind in dieser Saison besonders viele Uraufführungen auf dem Spielplan:
Jan Bosse eröffnet das Schauspielhaus mit dem Grusical »Sanatorium zur Gänsehaut« des bei uns bereits durch »Mein Lieblingstier heißt Winter« und »jedermann (stirbt)« bekannten Autors Ferdinand Schmalz. Der Wunsch, auch in Zukunft ewig jung zu bleiben, ist die Triebfeder dieser bissig-komischen Uraufführung. Genau damit beschäftigt sich auch »Das Bildnis des Dorian Gray«, mit dem sich der zuletzt mit dem Kurt-Hübner-Preis für Regie ausgezeichnete Regisseur Ran-Chai Bar-zvi präsentiert. Der ehemaligen Schönheit nachsinnen, das steckt auch im Klassiker »Süßer Vogel Jugend« von Tennessee Williams, den Max Lindemann inszenieren wird.
Die Eröffnung in den Kammerspielen widmet sich in der Uraufführung von Björn SC Deigners »So langsam, so leise« dem Thema Demenz: Was bleibt, wenn die Erinnerungen verschwimmen? Einen weiteren Schwerpunkt bilden
Familienstrukturen, damals wie heute. Aus aktueller Perspektive schreibt Anja Hilling ein Auftragswerk, das sich mit Erziehung und Zusammenleben jetzt und in naher Zukunft beschäftigt und zeigt, was passiert, wenn man mit alten Prinzipien bricht. Liebe, Rollentausch und shakespeareschen Humor präsentiert Tina Lanik mit »Viel Lärm um Nichts«. Den »Verfall einer Familie« in Umbruchszeiten – und zwar den der Buddenbrooks – wird Johanna Wehner zum Ende der Spielzeit im Schauspielhaus in den Blick nehmen. Einem Zeitgenossen Thomas Manns begegnen wir in den Kammerspielen: Der Regisseur Dor Aloni und der Autor Roy Chen führen tragikomische Figuren aus den Erzählungen von Franz Kafka mit einer Uraufführung in die Gegenwart. Eine weitere Persönlichkeit der deutschsprachigen Literatur feiert 2026 ihren 100. Geburtstag: Ingeborg Bachmann. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir eine Uraufführung von Andrea Stoll in den Kammerspielen in Auftrag gegeben.
Das Junge Schauspiel widmet sich mit Martina Droste und einem jungen Performance-Ensemble in den Stückentwicklungen »Paradiesvögel« und »Nahaufnahmen« ebenfalls der Frage, woher wir kommen und wohin wir uns in Zeiten großer Umbrüche und Sinnkrisen bewegen.
Wie in den vergangenen Spielzeiten haben wir passend zum Themenfeld auch die Fotostrecke und unsere Publikation gestaltet. Die Bilder von Noel Richter zeigen unser Ensemble im Stadtraum inmitten von Bewegung. Es sind feste Standpunkte in brüchigen Zeiten. Für die digitale Magazinstrecke sind in diesem Jahr besonders viele literarische Beiträge unserer Autor:innen entstanden, die Sie sich wie gewohnt auch vom Ensemble vorlesen lassen können.
Bis bald im Theater.
Wir freuen uns auf Sie!
Ihr
Anselm Weber
Intendant und Geschäftsführer