»Was für ein Schauermärchen«
Katrin Spira über »Sanatorium zur Gänsehaut. Eine Entfaltung«
Kaum hat man mit dem Wagen den »jungwald« verlassen, öffnet sich der Blick, und inmitten einer Postkartenidylle liegt es – still, starr, geheimnisvoll – an einem See, dessen Grund man nicht sehen kann: das »Sanatorium zur Gänsehaut«. In unseren unübersichtlichen Zeiten wächst das Bedürfnis nach einer Auszeit. Für eine gewiss nicht allzu kleine Summe kann man sich deshalb hier ein wenig zurückziehen aus dieser brutalen Welt, um zu regenerieren, die Batterien aufzuladen und möglicherweise ein wenig an der eigenen biologischen Uhr zu drehen – rückwärts selbstverständlich. Im Sanatorium werden Menschen empfangen, die mit Haut und Haaren auf der Suche nach dem ewigen Jungbrunnen sind.
Aktuell zu Gast sind Leslie Mark, eine ursprünglich aus der Provinz stammende, mittlerweile mit Millionen Klicks bedachte Beauty-Influencerin, und ihr Mann Jonathan. Sie hofft durch diverse Behandlungen im Sanatorium noch schöner zu werden; er hat nach einem Schockerlebnis seine Singstimme verloren, was durchaus problematisch ist, immerhin ist er Opernsänger. Auch Hannelore Krautwurm-Bouillon, eine erfolgreiche Pharmaunternehmerin, sucht im Sanatorium vehement nach Jugendlichkeit und – neu angekommen – erleben wir: Lio Laksch, die sich als Journalistin inkognito auf die Reise an diesen gespenstisch-ruhigen Ort gemacht hat, um die kriminellen Machenschaften aufzudecken, die man in der Redaktion vor allem hinter Hannelore Krautwurm-Bouillon vermutet.
Aktuell zu Gast sind Leslie Mark, eine ursprünglich aus der Provinz stammende, mittlerweile mit Millionen Klicks bedachte Beauty-Influencerin, und ihr Mann Jonathan. Sie hofft durch diverse Behandlungen im Sanatorium noch schöner zu werden; er hat nach einem Schockerlebnis seine Singstimme verloren, was durchaus problematisch ist, immerhin ist er Opernsänger. Auch Hannelore Krautwurm-Bouillon, eine erfolgreiche Pharmaunternehmerin, sucht im Sanatorium vehement nach Jugendlichkeit und – neu angekommen – erleben wir: Lio Laksch, die sich als Journalistin inkognito auf die Reise an diesen gespenstisch-ruhigen Ort gemacht hat, um die kriminellen Machenschaften aufzudecken, die man in der Redaktion vor allem hinter Hannelore Krautwurm-Bouillon vermutet.
Das »echte« Leben bzw. die wirkliche Welt jenseits des Sanatoriums rückt allerdings in immer weitere Ferne, je näher sie an den See gelangt.
Lio startet die Reise voller Selbstbewusstsein. Sie ist klug, unbeirrbar und weiß, was sie will: eine gute Recherche machen. Das »echte« Leben bzw. die wirkliche Welt jenseits des Sanatoriums rückt allerdings in immer weitere Ferne, je näher sie an den See gelangt. Wir ahnen, dass sie sich verlieren könnte, abtauchen nicht nur im Sinne von Wellness und Tiefenentspannung, sondern im Sinne des Abgleitens, Versinkens in diesem Ort am See, der »grundlos schön« ist. Die Menschen hier versteifen sich auf Dinge, die nirgendwo sonst so wichtig sind: die eigene Haut zum Beispiel, die jede:r retten und erhalten will – und zwar auf ganz konkrete Art und Weise. Denn mit ihr lassen sich Geschäfte und Forschung betreiben. Das Sanatorium ist so etwas wie eine sich selbst erhaltende Enklave geworden, in der alle zwar wissen, dass irgendwo »draußen« die Welt nicht nur Risse, sondern auch tiefgehende Probleme hat – in der aber alle den Fokus auf sich selbst legen und darum, die Haut, diese schöne Oberfläche des eigenen Ichs möglichst jugendlich zu halten. Nicht unwahrscheinlich, dass dafür über Leichen bzw. ethische Grenzen gegangen wird.
Zurück zur Ankunft von Lio Laksch: Sie wird empfangen von Herrn Anton, dem Concierge des Hauses, der vermutlich alle Geheimnisse des Resorts kennt, aber niemals ausplaudern würde. Ein seinen Vorgesetzten zu Füßen liegender Einheimischer, von dem sich die Schönen und Reichen gern den Bademantel geben lassen.
Einen behandelnden Arzt gibt es selbstverständlich auch: Dr. Klotz schabt alte Haut ab und trägt neue auf, vor allem aber hat er ein besonderes Projekt: Er forscht an Nacktmullen. Diese faltigen Nagetiere gelten als besonders resistent und langlebig. Klotz erhofft sich mit seiner Forschung den Durchbruch, was Longevity angeht – könnte er das Nacktmull-Gen nur endlich auf einen Wirt übertragen, vielleicht hätte die ganze Menschheit etwas davon…
Je weiter Lio versucht, die Strukturen des Sanatoriums zu ergründen und zu durchleuchten, umso mehr erlebt sie Momente der Verschrobenheit, des Grusels, des Unerklärlichen. Das kommt vor allem mit der mysteriösen Resortbesitzerin Emma Tiefenbach auf den Plan. Die Tiefenbach ist von ewiger Schönheit, so sagt man, und sie scheint – wie ihr sprechender Name schon sagt – eine tiefe Verbindung zum geheimnisvollen See zu haben. Es entwickelt sich eine fast schon magische Anziehungskraft zwischen ihr und Lio, doch dann wird die Ruhe überrollt. Die Ereignisse überschlagen sich, jemand verschwindet laut schreiend, eine Perchtentanzgruppe angeführt von Dr. Klotz als Luzifer jagt durchs Hotel, Lio will nur noch raus aber flieht immer weiter nach innen, die Zeit entgleitet ihr, auf einmal schneit es, obwohl doch gerade noch Sommer war.
In diesem satirischen »Schauermärchen« kommt es schließlich zum Showdown, nicht ohne dass der See noch diverse Hautpartien und Geheimnisse für immer verschluckt halten wird. Zurück in der Stadt, feiert man Heiligabend – und ein besonders faltiges Christkind kommt zur Welt – es hat auch schon zwei Zähne. Wird es mit diesen beiden Beißerchen und der faltigen Haut wohl für immer leben und die Menschheit retten?
Ferdinand Schmalz, der für seine gleichermaßen komischen, intelligenten und sprachkünstlerischen Texte bekannt ist, hat für das Ensemble des Schauspiel Frankfurt ein »Grusical« geschrieben. Regisseur Jan Bosse inszeniert diesen Abend als pointierte Satire, in der die Songs von Carolina Bigge eine wichtige Rolle spielen. Das Sanatorium ist im Bühnenbild von Moritz Müller eine leuchtende Insel, die umgeben ist vom Dunkel des Wassers. Auf den ersten Blick eine heitere Gesellschaft, durch deren Verhalten sich zusehends – mit bissigem Witz – die Eitelkeit, Überheblichkeit und Skrupellosigkeit unserer Zeit erzählt.
Zurück zur Ankunft von Lio Laksch: Sie wird empfangen von Herrn Anton, dem Concierge des Hauses, der vermutlich alle Geheimnisse des Resorts kennt, aber niemals ausplaudern würde. Ein seinen Vorgesetzten zu Füßen liegender Einheimischer, von dem sich die Schönen und Reichen gern den Bademantel geben lassen.
Einen behandelnden Arzt gibt es selbstverständlich auch: Dr. Klotz schabt alte Haut ab und trägt neue auf, vor allem aber hat er ein besonderes Projekt: Er forscht an Nacktmullen. Diese faltigen Nagetiere gelten als besonders resistent und langlebig. Klotz erhofft sich mit seiner Forschung den Durchbruch, was Longevity angeht – könnte er das Nacktmull-Gen nur endlich auf einen Wirt übertragen, vielleicht hätte die ganze Menschheit etwas davon…
Je weiter Lio versucht, die Strukturen des Sanatoriums zu ergründen und zu durchleuchten, umso mehr erlebt sie Momente der Verschrobenheit, des Grusels, des Unerklärlichen. Das kommt vor allem mit der mysteriösen Resortbesitzerin Emma Tiefenbach auf den Plan. Die Tiefenbach ist von ewiger Schönheit, so sagt man, und sie scheint – wie ihr sprechender Name schon sagt – eine tiefe Verbindung zum geheimnisvollen See zu haben. Es entwickelt sich eine fast schon magische Anziehungskraft zwischen ihr und Lio, doch dann wird die Ruhe überrollt. Die Ereignisse überschlagen sich, jemand verschwindet laut schreiend, eine Perchtentanzgruppe angeführt von Dr. Klotz als Luzifer jagt durchs Hotel, Lio will nur noch raus aber flieht immer weiter nach innen, die Zeit entgleitet ihr, auf einmal schneit es, obwohl doch gerade noch Sommer war.
In diesem satirischen »Schauermärchen« kommt es schließlich zum Showdown, nicht ohne dass der See noch diverse Hautpartien und Geheimnisse für immer verschluckt halten wird. Zurück in der Stadt, feiert man Heiligabend – und ein besonders faltiges Christkind kommt zur Welt – es hat auch schon zwei Zähne. Wird es mit diesen beiden Beißerchen und der faltigen Haut wohl für immer leben und die Menschheit retten?
Ferdinand Schmalz, der für seine gleichermaßen komischen, intelligenten und sprachkünstlerischen Texte bekannt ist, hat für das Ensemble des Schauspiel Frankfurt ein »Grusical« geschrieben. Regisseur Jan Bosse inszeniert diesen Abend als pointierte Satire, in der die Songs von Carolina Bigge eine wichtige Rolle spielen. Das Sanatorium ist im Bühnenbild von Moritz Müller eine leuchtende Insel, die umgeben ist vom Dunkel des Wassers. Auf den ersten Blick eine heitere Gesellschaft, durch deren Verhalten sich zusehends – mit bissigem Witz – die Eitelkeit, Überheblichkeit und Skrupellosigkeit unserer Zeit erzählt.